Während das Thema Klimaschutz mittlerweile zwar bei vielen deutschen Städten und Gemeinden weit oben auf der kommunalpolitischen Agenda steht, werden die konkreten Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel hingegen weit weniger prominent diskutiert. Dabei ist sich die Wissenschaft einig, dass zahlreiche negative Auswirkungen des Klimawandels auf lokaler Ebene mittel- bis langfristig nicht zu verhindern sein werden. Um den klimatischen Herausforderungen von morgen zu begegnen, benötigen die Kommunen bereits heute geeignete Werkzeuge, um komplexe Stadtentwicklungsvorhaben zielgerichtet steuern zu können. Deshalb entwickelt das Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT der Universität Stuttgart, das eng mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO kooperiert, gemeinsam mit weiteren Partnern im Rahmen des Projekts »SMARTilience« eine Toolbox mit innovativen Lösungen. Zu den Projektpartnern gehören die Städte Halle und Mannheim sowie die Drees & Sommer Advanced Building Technology GmbH, Malik Management GmbH und die HafenCity Universität. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt soll bis Januar 2022 abgeschlossen sein und Städte beim vorausschauenden und effizienten Klimahandeln unterstützen.
Wie können Klimafolgenanpassung in den Städten integriert werden?
»Städten und Kommunen fehlt es an adäquaten Ansätzen, um das Thema Klimaresilienz strategisch zu adressieren, zu steuern und in konkrete Maßnahmenpläne zu integrieren«, so Dr. Natalie Pfau-Weller, die am IAT zum Thema »Urban Governance« forscht. Ziel des Projekts »SMARTilience« ist es, ein kommunales und integriertes Steuerungsmodell mit sämtlichen Prozessschritten der Planung, Umsetzung und Bewertung für kommunale Entscheidungs- und Handlungstragende zu entwerfen. Das Steuerungsmodell verbindet dabei innovative Formate für ein integriertes kommunales Management mit konkreten Handlungsfeldern einer klimaresilienten Stadt, wie beispielsweise datenbasierte Planungsverfahren, Bürgerbeteiligungsformate, Investition in Ökosystemdienstleistungen oder vernetzte Technologien. In den beiden deutschen Großstädten Halle und Mannheim, die als Reallabors fungieren, kann das Projektteam die entwickelten Ansätze direkt in die praktische Anwendung überführen. Das IAT der Universität Stuttgart ist neben der Projektleitung auch für die Entwicklung der »Urban Governance Toolbox« mit der HafenCity Universität sowie für den Peer-Learning-Prozess und die Verbreitung der Ergebnisse zuständig. Als »Peer-Learning« wird der Prozess bezeichnet, wenn Gleichgesinnte voneinander lernen.
Im Juni 2019 erarbeiteten über 40 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft mithilfe einer Syntegrationsmethode des Beratungsunternehmens Malik integrierte Handlungsempfehlungen für alle politischen und gesellschaftlichen Ebenen aus zwölf zentralen Themenfeldern. Parallel erfasste das Projektteam die aktuellen Wissensstände der Städte zu Steuerungspraktiken sowie zu Planungs- und Bewertungsinstrumenten im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung. Diese Informationen wurden anschließend über eine OpenAccess-Plattform öffentlich zugänglich gemacht. Darauf basierend wird nun im nächsten Schritt das integrierte Steuerungsmodell gemeinsam mit den Projektpartnern sowie externen Expertinnen und Experten konzipiert und ab Januar 2020 in den Reallabors Halle und Mannheim unter Berücksichtigung der spezifischen Bedarfe geodatengestützt angewandt. Die Ergebnisse aus den Praxiserfahrungen geben dem Projektteam weitere relevante Anhaltspunkte, um das Steuerungsmodell zum Prototypen weiterzuentwickeln.
Auch Regierung und Wirtschaft sind in der Verantwortung
Mit den Resultaten will das Projektteam von »SMARTilience« zunächst zu einer systemischen energie- und rohstoffeffizienten, klimaangepassten und sozial nachhaltigen Entwicklung von Kommunen in Deutschland beitragen. Auf langfristige Sicht sollen jedoch auch politische Handlungsempfehlungen für Bund, Länder und EU erarbeitet werden, welche darauf abzielen, das Thema kommunale Klimaresilienz in bestehende regulatorische Rahmen zu integrieren. Auch die Finanzierung spielt dabei eine entscheidende Rolle. »Städte und Kommunen können diese Maßnahmen nicht aus eigener Kraft finanzieren. Deshalb sollen neue Finanzierungsmodelle identifiziert werden, die auch die Privatwirtschaft mit einbeziehen«, erklärt Rebecca Nell vom IAT. »Nur wenn Regierung, Wirtschaft und Kommunen gemeinsam an einem Strang ziehen, können wir uns nachhaltig und effizient auf die extremen Klimabedingungen der Zukunft vorbereiten. Mit dem Projekt haben wir einen ersten und absolut notwendigen Schritt in die richtige Richtung gemacht.«